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»Tarnung – Hüllen die Objekte zum Verschwinden bringen«
Ein Stegreifprojekt über vier Wochen an der RWTH Aachen, Fakultät für Architektur am Lehrstuhl für Gebäudelehre. Das Projekt beschäftigt sich mit dem Thema Tarnung in Bezug auf unsere Körperhüllen. Die „Tarnung“ durch Hüllen wird gesucht, als Umkehrung des repräsentativen Aspektes unserer textilen oder architektonischen Fassaden. Wie kann der Körper anonym werden, verschwinden, in seiner Umgebung nicht mehr wahrnehmbar sein?
»Tarnung – Hüllen, die Objekte zum Verschwinden bringen.« Mit diesem Titel begingen wir ein Stegreifprojekt im Fachbereich Architektur im Mai 2012. Das Ziel war sich mit Körperhüllen zu beschäftigen, womit nicht nur die textile Hülle, die Kleidung, in der Untersuchung steht, sondern auch ihre Fortführung in der Architektur. So betrachtet stellen die Objekte mit denen wir uns umgeben und auch die bauliche Struktur, in die wir uns hinein begeben, eine Körperhülle dar. Bei intensiver Beschäftigung mit den uns umhüllenden Räumen, der ersten, zweiten und dritten Haut, werden Analogien von Kleidung und Architektur offensichtlich.
Es werden viele Zusammenhänge in der Funktion unserer Körperhüllen deutlich. Nicht nur die schützende Funktion, bei der ein Mantel uns wie ein »Dach überm Kopf« vor den Unbillen der Witterung bewahrt, sondern auch der psychologische Schutz ist ein Anspruch, den wir an alle unsere Hüllen stellen. Die Körperhülle bekommt eine Bedeutung als Informationsträger des Inhalts. Sie repräsentiert den Inhalt. Die Repräsentative der Häuserfassade, wie der Kleidung, die wir tragen, scheint vordergründig wichtigster Aspekt für die Gestaltung. Hier setzt unser Thema »Tarnung« an, denn die Umkehrung der Repräsentative stellt die Tarnung dar. Unser Interesse lag dabei, wie und warum wir eine Anonymität über unsere Kleidung und die uns umgebenden Räume erreichen wollen.
Wie kann der umhüllte Körper getarnt werden, zum Verschwinden gebracht werden? Die Hülle funktioniert wie eine Tarnkappe, ihr Inhalt ist nicht mehr wahrnehmbar. Dem voraus geht natürlich die Fragestellung – Warum der Körper getarnt werden will. Der Wunsch nach einem Schutzraum für die Psyche wurde erörtert. Innerhalb diesen Fragenfeldes verfolgten die Studierenden in ihrem Projekt verschiedene Aspekte der Tarnung: Eine Studentin beschäftigte sich mit der Verhüllung, die aus religiösen und kulturellen Gründen auferlegt wird. Zwei andere Entwürfe bieten Lösungen für den Wunsch vorübergehend in der Menge unterzutauchen, einen Privatraum mit sich herumzuführen, der je nach Gelegenheit zum Einsatz kommen kann. Ein weiterer verfolgter Aspekt war der Wunsch im Hintergrund zu verschwinden, sich mit der Struktur, dem Abbild des Hintergrundes zu umhüllen. Ein Student verfolgte die Funktion des Doppelgängers, der, der kopierten Person Tarnung verleiht. In diesem Sinne das Plagiat, die Kopie, und dann die Kopie der Kopie, die die Botschaft des eigentlichen Objektes streut. Eine Studentin bezog sich mit ihrem Objekt auf die freiwillige Uniform, der Partnerlook oder der »look« einer ganzen Gruppe, der das einzelne Individuum untertauchen lässt. Ihr Objekt stellt die Aufforderung dar, diese Uniform zu sprengen, die Anonymität zu verlassen. Ein zeitgemäßes Projekt behandelte den Mantel für den Großstadtnomaden, der nicht auffallen möchte, Pfandflaschen sammelt und täglich Unterschlupf benötigt. Eine Studentin veranschaulichte die Privatheit der Umhüllung durch einen Austausch der Typologien. Sie übersetzte die Oberfläche der Wand auf ein Kleid. Das Kleid wird, wie die Wand, mit der Spraydose »getaggt«, ein Übergriff von außen auf die unmittelbare Privat-Hülle. Natürlich lässt so ein Kleid seine Trägerin vor einer entsprechenden Wand verschwinden, es funktioniert als Tarnkappe. Einige dieser Projekte sprechen Themen von größerer Tragweite an und ließen sich mühelos auf längerfristige Auseinandersetzungen mit dem Thema ausweiten. Der Ausbildungseffekt eines solchen Stegreifworkshops war es, den Blickwinkel auf das Studienfach Architektur zu bereichern. Die umgebenden Räume anders anzugehen, sie als Körperhüllen zu betrachten, indem man ihre Analogie zur Kleidung untersucht. Die Annäherung an die Architektur über die Kleidung lässt einen anderen Körperbezug zu gestalteten Räumen entstehen. Die Betrachtung des Raumes von »innen« wird provoziert, ausgehend vom subjektiven Standpunkt. Mittels des Themas »Tarnung« wird der Begriff der »anonymen Architektur« anders beleuchtet. Über die Übertragung der Gesetzmäßigkeiten der Kleidung auf die Architektur werden andere Aspekte und Fragestellungen in der Gestaltung von Architektur aufgedeckt.
»Tarnung -
Hüllen die Objekte zum Verschwinden bringen«
Stegreifprojekt 2.5. bis 25.5.2012
Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens2012
Prof. Anne-Julchen Bernhardt, Fakultät für Architektur, RWTH Aachen
Bernadette Heiermann
Gastdozent Patricia Hepp